«Je ne veux pas gagner ma vie, je l’ai.» Boris Vian, L'écume des jours

7/05/2011

gut sitzen

der stuhl, bzw sitzgelegenheiten im allgemeinen sind wohl das meistdesignte möbelstück, besonders bei jungen designern. eine art first-thing-to-do, um in die designwelt einzusteigen. (hat deshalb keiner der stuhl- oder sitzdesigner in hyères dieses jahr gewonnen? bereits die letzten zwei jahre gewannen mit francois dumas und antoine boudin designer mit einem stuhlentwurf den wettbewerb). dieses phänomen fiel einem auch wieder zur design parade 06 auf, wenn auch keiner der 3 von 10 "sitzdesignern" den großen preis der jury gewonnen hat.
© F. Freitag, D06 2011, Installation de Francois Dumas 
der grand prix ging ex-aequo an den isländischen designer brinjar sigurdarson und den franzosen jean-baptiste fastrez. wenn fastrez eine sehr ausgefeilte arbeit präsentiert hat - variationen um den wasserkocher: ein völligst banales industrieprodukt, dass der designer umgestaltet hat, indem er dessen basis designt hat und den behälter von verschiedenen künstler gestalten lässt- dann ist sigurdarson, der sich unter anderem von reisen in seinem heimatland island, alltäglichen situationen/fotografien und begebenheiten inspirieren lässt und traditionelle einflüsse sehr ernst nimmt, wohl eher das eklektische gegenteil. von einer taschenlampe mit langem holzgriff, über ein kartenspiel, bis zu möbelstücken verziert mit garn und elementen aus seinem heimatland, ist das spektrum breit gefächert. es hat mich besonders für letzteren gefreut, dass er den hauptpreis, sowie einen workshop bei camper gewonnen hat. das zeigt, dass die jury, um den berliner designer stefan diez, potential in den vielen unterschiedlichen ideen des noch sehr jungen designers erkannt hat, wenn diese auch nicht unbedingt am besten präsentiert wurden oder in ihrer produktion weit fortgeschritten sind.
Variations autour d'une bouilloire électrique, Jean-Baptiste Fastrez
© Véronique Huyghe
Tool Light, Brynjar Sigurdarson
© Federico Berardi, Ecal, Switzerland,2010
aber ich wollte eigentlich von stühlen sprechen. bitte sehr:
ich bin, was meine design-kenntnisse angeht, noch blutige anfängerin und wahrscheinlich deshalb besonders auf projekte fixiert, die ich einfach mit meinem leben oder mit bestimmten aktivitäten darin verbinden kann. den stuhl kann ich immer sofort testen und mich fragen, ob er bequem ist oder gut in meine wohnung, wenn es die denn irgendwann gebe wird, passen würde. während des diesjährigen design festivals haben mir zwei stuhlentwürfe besonders gefallen. zunächst einmal die gartenbank medusa des holländischen designers erasmus scherjon, die weich aussieht, aber hart wie stein ist. der stoff concrete-canvas besteht aus einem nylon fabrikat mit zement. taucht man diesen die eisenkonstruktion umgebenden stoff in wasser, wird er hart. Nicht unbequem hart und dabei angenehmer und schöner als jede holzbank.
© F.Freitag, D06 2011, Medusa Bench de erasmus scherjon
die zweite wunderbare sitztrilogie wurde von dem amerikaner max lipsey entworfen. eine stuhlvariation, die farblich, gestalterisch, also visuell, aber auch durch die geruchstechnische sinneswahrnehmung glücklich macht. für einen stuhl, einen hocker und einen sessel hat sich lipsey vom fahrrad design inspirieren lassen. die stahlkonstruktion ist dieselbe wie für ein radgerüst und die sitzgelegenheit selbst besteht aus gelochtem weichleder, was das ganze extrem leicht macht (und mir gefällt wie gesagt der geruch des leders). visuell hat max lipsey 16 verschiedene farben gewählt, nach 16 berühmten fahrradbauern benannt.
© F.Freitag, D06, acciaio de max lipsey, rechts der designer mit neugierigen besuchern
die zwei wochen vorbereitugnen - für dieses event, sowie für die ausstellung über charles und marie-laure de noailles mit einem spécial über den skulpteur jacques lipchitz, dessen figuren in den gärten und wohnräumen der noailles zu sehen waren -  haben sich wirklich gelohnt. schlafmangel und keinerlei zeit zum einkaufen sind nichtigkeiten, wenn man an einem wochenende so viele interessante designer und menschen kennenlernt und mit alten und neuen freunden unter dem wachsamen auge der noailles im schatten (und in der sonne) der villa rosé trinkt und über schöne projekte spricht. alles in allem hat mich die design parade emotional sehr viel stärker erfasst, als das modefestival. die atmosphäre ist familiär, aber trotzdem professionel, es sind wirkliche kenner dort und weniger möchtegern modemenschen (jezt grob überspitzt, denn auch zum modefestival wimmelte es von professionellen connaisseuren, aber alles war stressiger und etwas abgehackter) und das auch aus dem grund, da die DP bisher noch sehr viel weniger mediatisiert ist. im nächsten jahr wieder, sure!
Francois Azambourg "zaubert" Regale aus einer Farb/Schaummischung. Was das jedoch nachher ergibt, ist für mich mehr unnütze Spielerei, als wirkliches Design
Francois Dumas präsentierte das Ergebnis des im letzten Jahr gewonnen Camper-Workshops
Glass Scene im ehemaligen Schwimmbad
Der Wettbewerbsbeitrag Border Crossers von Caroline Perret
auch die entwürfe der deutsch/französin caroline perret (siehe oben) haben mir sehr gut gefallen und das nicht nur, weil wir nach einigen tagen gemerkt haben, dass wir uns auch in der zweiten sprache wunderbaren unterhalten konnten. perrets projekt besteht aus in gewisser weise unvollständigen entwürfen, die darauf warten, dass ihnen ein bestimmer nutzen zugeteilt wird. es geht um die natur der dinge, einfache konstruktionen, die mit ihrem schlichten und bauhaus-artigem design wunderbar in das mobiliar der villa noailles gepasst hätten. genau der richtige ort also, die grenzen zwischen praktisch und esthätisch zu verwischen.
im übrigen ist caroline perret - und das hätte mir auch gleich auffallen können - die schwester der ebenfalls überaus begabten berliner modedesignern johanna perret, die gemeinsam mit tutia schaad 2009 das label perret&schaad gegründet hat. dieses jahr zeigen sie zum zweiten mal ihre entwürfe auf der berlin fashion week und ich würde gerne einmal einige der wunderbar leichten und schlicht schönen stücke anprobieren. und wie so oft hat auch caroline perret ein sehr schönes sitzprojekt vorstellen können, wenn es auch nicht der hauptbeitrag im wettbewerb war. sie hat den klassiker hocker umgestaltet, indem sie ihm eine kleine unterstützende rückenlehne hinzugefügt hat und das ganze ist mit sehr weichem holz und einer kleinen vertiefung zum sitzen sehr bequem und einfach hön (schlicht und sehr schön scheint in der familie zu liegen), aber leider nicht sehr gut auf einem foto von mir festgehalten worden.
Balance, Lampenentwurf und Beitrag des Franzosen David De Moutis
In the end, die Preisverleihung im Vorgarten der Villa Noailles, mit den Gewinnern und der Jury im Hintergrund. Alle Bilder © F. Freitag, D06

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